Zeitungsbericht »Fall Kopper: Vorwürfe gegen Deutsche
Bank. Kritischer Aktionär: Aktiendeal war fragwürdig« in
Berliner Zeitung vom 20.01.2006


Zu Artikel zu DaimlerChrysler und Jürgen E. Schrempp


Fall Kopper: Vorwürfe gegen Deutsche Bank
Kritischer Aktionär: Aktiendeal war fragwürdig

Von Sebastian Wolff

BERLIN. Im Zusammenhang mit den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen DaimlerChrysler-Aufsichtsratschef Hilmar Kopper hat der Vorsitzende des Dachverbandes kritischer Aktionäre, Jürgen Grässlin, die Deutsche Bank scharf attackiert. »Aus meiner Sicht hat die Deutsche Bank zumindest ein moralisch fragwürdiges Geschäft vollzogen, als sie noch am Tag der Bekanntgabe des Rücktritts von Konzernchef Jürgen Schrempp 35 Millionen DaimlerChrysler-Aktien verkaufte«, sagte Grässlin der Berliner Zeitung. »Es würde mich nicht wundern, wenn Kopper Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann frühzeitig informiert hätte und die Deutsche Bank daraufhin ihr riesiges Aktienpaket bis Schrempps Rücktrittsverkündung hielt.«

Rücktritt gefordert

Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft teilte gestern mit, dass sich das Verfahren wegen des Verdachts des Insiderhandels nicht gegen die Deutsche Bank richte. »Wir haben kein Verfahren gegen Verantwortliche der Deutschen Bank eingeleitet«, sagte gestern eine Sprecherin der Behörde. Am Vortag hatte die Staatsanwaltschaft bestätigt, ein Ermittlungsverfahren gegen Kopper eingeleitet zu haben. Einem Zeitungsbericht zufolge steht Kopper im Verdacht, Deutsche-Bank-Chef Ackermann vorzeitig vom geplanten Rücktritt des DaimlerChrysler-Chefs Schrempp Ende Juli unterrichtet zu haben. Sowohl DaimlerChrysler als auch die Deutsche Bank lehnten eine Stellungnahme zu den Ermittlungen ab.

Der kritische Aktionär Grässlin will bereits am 16. Juli von dem Daimler-Spediteur Gerhard Schweinle, der selbst mit dem Konzern zerstritten ist, von dem bevorstehenden Abgang Schrempps erfahren haben. »Sehr vieles spricht dafür, dass eine Reihe von Personen das auch wussten, ich war da noch am Ende der Fahnenstange«, sagte Grässlin. »Dadurch waren Insidergeschäfte Tür- und Tor geöffnet.

Er selbst habe aber daraus kein Kapital geschlagen, sagte Grässlin:. »Ich besaß damals wie heute nur eine einzige Daimler-Aktie«. An die Öffentlichkeit sei er mit seinem Wissen nicht gegangen, weil ihm diese eine Quelle unzureichend erschien, um den Vorgang zu belegen. »Ich selbst hatte aber nie Zweifel an den mir zugegangenen Informationen.« Kopper sei für das Desaster bei DaimlerChrysler verantwortlich, weil er Schrempp immer Rückendeckung gegeben habe. »Mit der nun offensichtlich auch noch vorzeitig erfolgten Information an Ackermann über den bevorstehenden Rücktritt Schrempps hat er das Fass zum Überlaufen gebracht. Ich fordere ihn vehement zum Rücktritt auf«, so Grässlin.

Kopper war nach dem Tod von Alfred Herrhausen im November 1989 bis Mai 1997 Chef von Deutschlands größtem Geldhaus und leitete danach fünf Jahre lang das oberste Kontrollgremium der Bank. Als Aufsichtsratschef der Daimler-Benz AG übernahm er nach der Fusion mit Chrysler 1998 den Aufsichtsratsvorsitz. Die Bank hat betont, das Mandat des 70-Jährigen bei dem Autobauer habe nichts mit ihr und ihrer Beteiligung an DaimlerChrysler zu tun.

Der Stuttgarter Zeitung zufolge ist der Verkauf von 35 Millionen DaimlerChrysler-Aktien durch die Deutsche Bank am Tag von Schrempps Rücktrittsankündigung nicht Gegenstand der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen. Es gehe vielmehr um eine weitere, ungleich kleinere Wertpapiertransaktion im Umfeld der Deutschen Bank. Bei diesem komplizierten Optionsgeschäft sei womöglich durch Nutzung von Insiderwissen ein einstelliger Millionengewinn angefallen, hieß es in dem Blatt. (mit Reuters)