Interview »Schrempp soll abtreten«
in Neues Deutschland vom 02.11.2000


Zu Kritische AktionärInnen DaimlerChrysler (KADC)

Zu Artikel Jürgen E. Schrempp


Interview »Schrempp soll abtreten«

Von Jürgen Grässlin, Kritischen AktionärInnen DaimlerChrysler

Der US-Milliardär Kirk Kerkorian hat DaimlerChrysler auf Schadensersatz verklagt. Überraschend?

Sicherlich sehen wir Kritische Aktionäre uns in unseren Befürchtungen bestätigt: Wir waren im September 1998 die einzige Aktionärsvereinigung(*), die bei der außerordentlichen Hauptversammlung gegen die so genannte Fusion gestimmt hat. In meinem Antrag habe ich die Ablehnung damit begründet, dass der Daimler- Vorstand den Aktionären einseitig die Vorzüge der Fusion aufgezeigt, dagegen die Fragen zu den Gefahren unzureichend beantwortet hat. Allerdings ist es Quatsch, wenn Großaktionär Kirk Kerkorian jetzt Vorstände verklagt: Die Negativentwicklung war vorhersehbar.

Was sagen Sie zur Begründung Kerkorians, Daimler-Chef Schrempp habe nicht eine Fusion, sondern die Chrysler-Übernahme angestrebt?

An einem Punkt stimmt Kerkorians Analyse: Jürgen E. Schrempp hatte von vornherein nichts anderes im Sinn. Es ist erstaunlich, wie naiv das US-Management und auch die Anleger in den USA ins Verderben gerannt sind.

Sind Schrempps Pläne gestoppt?

Misst man Schrempp an seinen selbst gesetzten Maßstäben, dann ist dieser Mann gescheitert. Wie kein anderer hat er die Parole ausgegeben, dass bei DaimlerChrysler Shareholder Value in Reinkultur umgesetzt werden müsse. Im Gegenzug versprach er einen gesteigerten Börsenwert des Unternehmens, optimale Rendite und einen massiv steigenden Aktienkurs. Nichts davon ist eingetreten. Der Wert der Aktie hat sich von April 1999 bis heute halbiert. Der Börsenwert des Automobil- und Rüstungskonzerns ist um rund 70 Milliarden Mark gefallen. DaimlerChrysler ist zum Übernahmekandidaten degradiert und Herr Schrempp als der größte Kapitalvernichter Deutschlands entlarvt worden. Er muss zurücktreten.

Eine Prognose - wie geht es weiter bei DaimlerChrysler?

Die Fusion ist gescheitert. Das Unternehmen wird nur dann wieder florieren, wenn die Übernahme rückgängig gemacht wird.

Fragen: Thomas Klein

Jürgen Grässlin ist unter anderem Autor einer kritischen Biografie über den Daimler-Chef. »Jürgen E. Schrempp. Der Herr der Sterne« erschien im Droemer Verlag, München

(*) Anm.: Auch Prof. Ekkehard Wenger und der von ihm mitbegründete »Verein zur Förderung der Aktionärsdemokratie« stimmten wie die Kritischen AktionärInnen DaimlerChrysler gegen die Fusion alle anderen Aktionärsverbände dafür.