Bericht »Justiz durchsucht Daimler-Zentrale«
in Die Welt vom 02.09.2005


Zu Artikel zu Jürgen E. Schrempp



Justiz durchsucht Daimler-Zentrale

Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts auf
Insiderhandel nach Schrempp-Rückzugsankündigung

von Marco Dalan

Düsseldorf - Dieter Zetsches erster Arbeitstag als Mercedes-Chef hat mit einem Paukenschlag begonnen: Am Donnerstagvormittag wurden unter anderem die Wohnräume und Arbeitsplätze von vier Beschuldigten, darunter zwei Mitarbeiter der DaimlerChrysler AG, durchsucht. Beteiligt waren Staatsanwälte und Beamte des Polizeipräsidiums Stuttgart sowie des Landeskriminalamtes Baden-Württemberg.

Die Staatsanwaltschaft Stuttgart ermittelt wegen des Verdachts des verbotenen Insiderhandels mit DaimlerChrysler-Aktien. »Wir gehen Hinweisen nach, die wir von der Börsenaufsichtsbehörde BaFin bekommen haben«, sagte eine Justizsprecherin. Es werde insgesamt gegen vier Personen ermittelt, darunter zwei DaimlerChrysler-Mitarbeiter. Gegen wen sich die Vorwürfe richteten, wollte sie nicht sagen.

Angeblich sollen die Büros von Vorstandsmitglied Rüdiger Grube und von Kommunikationschef Hartmut Schick durchsucht worden sein. DaimlerChrysler erklärte, das Unternehmen arbeite mit den Behörden zusammen.

Den Angaben zufolge besteht der Verdacht, daß Aktien von Daimler »unter Ausnutzung der Kenntnis vom Ausscheiden des derzeitigen Vorstandsvorsitzenden, Professor Jürgen Schrempp, vor Bekanntgabe dieser Information an die Öffentlichkeit in der Erwartung von Kurssteigerungen erworben wurden, beziehungsweise das zu erwartende Ausscheiden von Professor Schrempp bereits im Vorfeld der wertpapierrechtlich vorgeschriebenen Ad-hoc-Meldung unberechtigt an Dritte weitergegeben wurde«. Die bei der Durchsuchung sichergestellten Unterlagen müßten nun ausgewertet werden. Zur Dauer der Ermittlungen lassen sich laut Staatsanwaltschaft »noch keine Angaben machen«.

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) untersucht bereits seit einiger Zeit, ob im Zuge der Rücktrittsankündigung von Schrempp am 28. Juli Insider unerlaubte Aktiengeschäfte tätigten. Kurz nach der Ankündigung war der Aktienkurs von DaimlerChrysler um zehn Prozent gestiegen. Bis heute summiert sich der Anstieg auf rund 20 Prozent. Ein Sprecher von DaimlerChrysler bestätigte lediglich, daß die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen aufgenommen habe. Weitere Stellungnahmen lehnte er ab.

Die Börsenaufsicht stützt sich bei ihren Untersuchungen unter anderem auf Äußerungen des Buchautors und Konzernkritikers Jürgen Grässlin. Dieser hatte kurz nach dem Rücktritt Schrempps erklärt, er habe zwölf Tage vor der offiziellen Ankündigung aus dem Konzern von Schrempps Ausscheiden zum Jahresende erfahren. Die Bundesanstalt hegt offenbar den Verdacht, daß Insider im Vorfeld Aktien gekauft und nach Bekanntwerden des Rücktritts teurer verkauft haben. Wie groß der Kreis der möglichen Insider ist, die vor der offiziellen Ankündigung vom Rücktritt wußten, ist offen.

Artikel erschienen am Fr, 2. September 2005