Buchtipp: »Geheimdienst, Politik und Medien.
Meinungsmache Undercover« von Erich Schmidt-Eenboom


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Buchtipp: »Geheimdienst, Politik und Medien.
Meinungsmache Undercover« von Erich Schmidt-Eenboom
in ZivilCourage 6/2004 vom 01.12.2004

In der Friedens- wie auch in der Geheimdienstszene hat sich Erich Schmidt-Eenboom einen Ruf erworben. Seine Bücher werden mit Interesse gelesen - von den Einen, weil sie mehr über die Bespitzelung durch den Bundesnachrichtendienst erfahren wollen, von den Anderen, weil sie seine Recherchen schlichtweg fürchten. Denn einem Geheimdienst kann nichts Schlimmeres widerfahren, als dass seine Machenschaften und Methoden, seine Seilschaften und Spitzel aus dem Dunkel der Behörde ins Licht einer kritischen Öffentlichkeit gezerrt werden. Genau dieses Verdienst gebührt Erich Schmidt-Eenboom - und das seit Jahren.

Jetzt hat der versierte Kenner des Metiers sein bereits 1998 erschienenes Buch »Undercover« völlig neu überarbeitet und erweitert, denn bei seinen jahrelangen Recherchen ist er in den Besitz hunderter neuer, zuweilen brisanter Dokumente über den deutschen Nachrichtendienst gelangt. Die Fakten und deren Bedeutung ergeben ein erschreckendes Bild der Verwicklung von BND und Medien.

Wer sich trotz aller geheimdienst- und bundeswehrbeschönigenden Publikationen noch immer der Illusion freier und pluralistischer Medien mit ausgewogener Berichterstattung hingegeben haben sollte, der wird sich bitter enttäuscht sehen. Denn Medien waren und sind häufig der verlängerte Arm des Militärs, der Rüstungsindustrie und der Politik - und eben auch des Bundesnachrichtendienstes. Genau das belegt Erich Schmidt-Eenboom in seinem neuen Buch mit Insiderwissen in erschreckend vielen Fällen.

Inwiefern aber betrifft die DFG-VK ein Buch, in dem es um die intensiven Verbindungen des BND mit deutschen Medien geht? Im Kapitel »Des Kanzlers Munitionsanstalt - Gustav Heinemann und sein Umfeld im Visier der Dienste«, Seite 244 ff., beschreibt Schmidt-Eenboom die Bespitzelung des früheren Bundespräsidenten vor seinem Amtsantritt 1969. Der Sozialdemokrat sah sich dem Vorwurf der Kommunistennähe ausgesetzt, da er seit den fünfziger Jahren als Rechtsanwalt eine Vielzahl von Mitgliedern der KPD verteidigte.

Gern gesehener Gast der Heinemann-Kanzlei in Essen war der Wuppertaler Rechtsanwalt Dr. Hermann Rebensburg, seines Zeichens langjähriges Bundesvorstandsmitglied der DFG-IDK. Rebensburg galt als Pazifist »aus christlicher Überzeugung« und »handelte stets konsequent für eine Zukunft in Frieden und Gerechtigkeit«. Selbiges verkündete der DFG-IDK-Bundesvorstand in seinem Nachruf auf den am 22. Oktober 1972 unerwartet verstorbenen Rebensburg, der in der Verbandszeitschrift »Courage« in der November/Dezember-Ausgabe 1972 erschien.

Heute muten die wohl gemeinten Worte makaber an, wonach der Verstorbene »in der Gesamtdeutschen Volkspartei versuchte, gemeinsam mit dem heutigen Bundespräsidenten Gustav Heinemann eine bessere Politik durchzusetzen«. Denn eben dieser Heinemann wurde - so Schmidt-Eenbooms Recherchen - von Rebensburg bespitzelt. Zwar hatten Heinemann und seine Mitstreiter laut dem Autor »selbst allzu deutliche Anzeichen dafür, dass es in ihrem engsten Kreis einen Maulwurf« gegeben hatte, der dem Bundesamt für Verfassungsschutz zuarbeitete (Seite 256 f.). Doch dass eben Rebensburg seinen Anwaltskollegen und Friedensfreund Heinemann ausspionierte, wusste keiner von ihnen.

Spannend wäre zu erfahren, inwiefern Rebensburg auch die DFG-IDK ausspionierte und welche Informationen er an den Verfassungsschutz weiterleitete. Als Bundesvorstandmitglied hatte er Zugang zu allen Interna des Verbandes. Leider ist darüber bisher noch nichts bekannt, die Schlussfolgerungen liegen allerdings auf der Hand.

Der frühe Tod Rebensburgs und die drei Jahrzehnte, die seither vergangen sind, lassen die - im Buch ausführlicher - beschriebene Anekdote scheinbar zur Historie verkommen. Und doch mahnt sie uns zur Wachsamkeit. Denn der BND hat sein Interesse an der Friedensbewegung mit Sicherheit nicht verloren. Abhöraktionen bei Telefonaten, Mitlesen von E-Mails dürften gang und gäbe sein, V-Männer oder -Frauen in unseren Reihen wären keine Überraschung. In Zeiten des bewusst forcierten Feindbildes »Terrorismus« schreitet die Aushebelung von Bürgerrechten unter Rot-Grün voran, der Weg führt zielstrebig in den Überwachungsstaat.

Nicht nur des 22. Kapitels wegen ist das Buch (trotz seines Preises) unbedingt kaufenswert, auch - oder gerade weil - wenn uns angesichts der offensichtlichen Aushöhlung demokratischer Grundprinzipien manch bitterer Nachgeschmack in einer besinnlichen Zeit bereitet wird. Frohe Weihnachten?

Jürgen Grässlin

Erich Schmidt-Eenboom: »Geheimdienst, Politik und Medien. Meinungsmache Undercover«, Kai Homilius Verlag; Berlin 2004; 406 Seiten; 24,80 Euro

Buchtipp von JG erschienen in ZivilCourage 6/2004. S. 12