Zeitungsbericht »Sprengstoff versprochen.
Jürgen Grässlin in Fellbach«
in der Stuttgarter Zeitung vom 14.07.2006



Sprengstoff versprochen.
Jürgen Grässlin in Fellbach

FELLBACH. Viel Beifall und einigen Widerspruch von Daimler-Mitarbeitern erntete Jürgen Grässlin beim 102. Remstal-Forum. Der Autor von »Das Daimler-Desaster« wusste im Fellbacher Ratssaal zu polarisieren.

Von Eva Herschmann

»Machen Sie sich keine Sorgen, Jürgen Erich Schrempp geht es gut in seinen Villen in Südafrika«, sagte Jürgen Grässlin. Mit dem Erfolgsautor hatten der SPD-Bundestagsabgeordnete Hermann Scheer und seine Parteifreundin, die Landtagsabgeordnete Katrin Altpeter, einen Publikumsmagneten engagiert. Der Große Saal im Fellbacher Rathaus konnte die Menschen gerade noch aufnehmen, der Hausmeister musste mehrere Male weitere Stapel Stühle reinschieben. Das Interesse an dem Mann, gegen den zwei Strafverfahren laufen, angestrengt von dem ehemaligen Herren der Sterne, war groß.

Nicht das Geld, das der Sprecher der »Kritischen AktionärInnen Daimler-Chrysler« durch den Kursverfall verloren hat, treibt Grässlin nach eigenen Angaben um. »Daimler ist mit Abstand der größte deutsche Rüstungskonzern. Er stellt Landminen her, beteiligt sich an der Produktion von Streubomben und baut als größter Anteilseigner der EADS Atomwaffenträger.« Außerdem empfinde er es als unmoralisch, dass der Konzern sich weigert, Umsatzsteuern zu zahlen.

Grässlin verschoss eine Menge Pulver. Er erzählte, wie der Konzern versucht habe, über den Verlag Einfluss zu nehmen und sein drittes Buch über das Unternehmen zu verhindern. Und er lobte den Droemer Verlag, der sich nicht habe einschüchtern lassen.

An heftige Reaktionen aus der Zuhörerschaft auf seine Enthüllungen ist der Freiburger gewöhnt. Auch in Fellbach gab es einige erregte Daimler-Mitarbeiter, die sich lautstark zu Wort meldeten, von technischen Schwierigkeiten bei der Entwicklung von Hybridfahrzeugen und Brennstoffzellen oder von alten Erfolgen erzählten: »Daimler war der Erste, der vor 20 Jahren Rußfilter bei allen Fahrzeugen eingebaut hat.«

Jürgen Grässlin hingegen listete genüsslich mutmaßliche Niederlagen des ehemaligen Daimler-Chefs auf. 200 000 Smarts sollten jährlich verkauft werden, habe Schrempp vollmundig angekündigt. 2005 seien es 124 000 gewesen, sagte Grässlin. »Made by Daimler-Benz«, so habe Schrempp getönt, sei weltweit ein Ausweis für Qualität. »Bei einer Qualitätsuntersuchung in den USA landeten die Fahrzeuge auf Platz 28 - von 28.« Bei der Übernahme von Chrysler habe Schrempp versprochen, keine Stellen abzubauen. »Vor der Fusion waren es 466 000 Arbeitsplätze, im Jahr 2005 noch 382 000.« Hinzu komme der Einbruch des Aktienkurses von 95 Euro im Jahr 1998 auf aktuell 37 Euro. Und sein Versprechen bezüglich der Vorstandsgehälter habe er auch nicht gehalten. Von wegen, Manager sollten spüren, wenn das Geschäft nicht so gut gehe: »Schrempp hat 40 Milliarden Euro vernichtet und 50 Millionen verdient.« Auch der neue Konzernchef Dieter Zetsche habe alles andere als eine weiße Weste. Grässlin versprach, weiteren Sprengstoff über Daimler-Chrysler zu liefern.