Zeitungsbericht »Ostermarsch. Protest seit drei Jahrzehnten«
in der Frankfurter Rundschau vom 14.04.2009



Zeitungsbericht »Ostermarsch«

VON FELIX HELBIG

Unten vor dem Historischen Museum steht ein Clown auf seinem Podest, er reagiert nicht, rührt sich nicht, er ist nicht witzig. Er mag auch den »Spartakist« nicht lesen, er lehnt nicht einmal ab, er steht einfach nur stumm da, das ist seine Nummer. Wären die Menschen wie dieser Clown, es gäbe keinen Ostermarsch. Der Clown macht alles falsch.

Oben auf dem Römerberg vereinigen sich derweil vier Protestzüge, die am Montagmorgen in Rödelheim, Niederrad, Eschersheim und Offenbach gestartet sind, um gegen Kriegs- und Besatzungspolitik, soziale Ungerechtigkeit, Atomwaffen und Armut zu demonstrieren. Die MLPD hat einen Stand aufgebaut und die DKP auch, der Freidenker-Verband verteilt Handzettel. Horst-Eberhard Richter, der Vordenker der Friedensbewegung, tritt auf die Bühne.

Richter, in zwei Wochen 86-jährig, will erst einmal dieses Missverständnis ausräumen, das besagt, jetzt, da es Obama gebe, müsse man ja nicht mehr zum Ostermarsch gehen. »Eine atomwaffenfreie Welt«, ruft Richter, »das ist nicht eine Sache von Verträgen, da geht es um einen radikalen geistigen und sozialen Wandel, um die Friedensfähigkeit der Menschen«. Der neue US-Präsident stärke Hoffnung, »aber er ist kein Erlöser«.

Über Obama spricht Richter dennoch viel. Um der atomaren Abschreckung wie der weltweiten Finanzkrise, die im Schwund sozialer Verantwortung eine gemeinsame Wurzel hätten, beizukommen, brauche es ein »We can!« aller Menschen, sagt er. Im Augenblick sei die Chance da, »doch während Obama spricht, bleiben die Bundeskanzlerin und der Bundespräsident stur«, sagt Richter: »Das finde ich beschämend.«

»Obama, Obama«, stöhnt da eine Frau im Che-Guevara-Shirt, »der hat doch mitgestimmt für den atomaren Erstschlag.«

Nach Richter treten Carola Stölzel, die stellvertretende GEW-Vorsitzende in Hessen, und Jürgen Grässlin, Sprecher der Deutschen Friedensgesellschaft, auf die Bühne. Stölzel fordert einen Rückzug der Bundeswehr aus Kriegseinsätzen, Grässlin ein Ende der Rüstungsexporte deutscher Firmen. »Das Massenmorden mit deutschen Waffen muss aufhören«, sagt Grässlin, »wir müssen ihnen die Waffen entziehen.«

Hinten auf dem Römerberg steht einer, der darauf seit 30 Jahren hofft. Peter Werner kommt aus Köppern, dort gibt es ein Sonderwaffenlager, »von dem niemand weiß, was da lagert«, sagt Werner. Mit seiner Frau und dem Transparent marschiert der pensionierte Berufsschullehrer deshalb seit drei Jahrzehnten an Ostern, leider sei es noch immer aktuell, das Transparent: »Keine Waffen in Köppern und im Rest der Welt!«

Auf der Bühne wird derweil bekannt gegeben, dass insgesamt 2500 Menschen zur Abschlusskundgebung gekommen seien, die Polizei wird später von 800 Menschen sprechen. So oder so bedeutet das, dass es zu viele Clowns gibt, die sich nicht rühren.

»Gehet hin und macht Randale«, ruft der Linken-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Gehrke zum Abschluss der Kundgebung: »Randale braucht dieses Land.

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