Zeitungsbericht »Die sind doch nicht blöd«
in Financial Times Deutschland vom 22.05.2007



Die sind doch nicht blöd

von Kristina Allgöwer Manche Firmen sind so auf ihre Außenwirkung bedacht, dass sie gegen missliebige Blogger und Autoren vorgehen. Ihr Hebel: das Unternehmenspersönlichkeitsrecht. Die Allzweckwaffe der deutschen Medienanwälte steht in keinem Gesetzbuch.

Sie ist flexibel, kaum greifbar, offen für fast alles, und genau das macht sie so gefährlich. Ihre Wirkung ist nicht vorhersehbar. Wenn Künstler, Blogger oder Journalisten ein Unternehmen kritisieren, veralbern oder einfach nur Unerwünschtes berichten, wird die Waffe hervorgeholt. Ihr Name: Unternehmenspersönlichkeitsrecht.

Der Kölner Blogger Rainer Kohnen hat sie im vergangenen November zu spüren bekommen. Da bekam er per Post die Abmahnung einer Media-Markt-Filiale. Kohnen hatte auf der Website »media-bloed.de« die »Saubillig«-Werbekampagne parodiert. »Du so blöd wie Sau«, hieß es dort im Layout des Elektro-Discounters. Im Januar folgte die zweite Abmahnung, weil Kohnen in seinem Blog über ein Bild von Saddam Hussein »Saddam Sautot« geschrieben hatte.

Jürgen Grässlin hat es ebenfalls getroffen. Der Autor des Buchs »Das Daimler-Desaster« darf nach einem Urteil des Hamburger Landgerichts nicht mehr behaupten, dass Jürgen Schrempp möglicherweise nicht freiwillig als DaimlerChrysler-Chef zurückgetreten ist.

Der Regisseur Adolf Winkelmann wartet schon seit Monaten darauf, dass sein ARD-Zweiteiler »Eine einzige Tablette« gezeigt werden darf. Gegen den Spielfilm über den Contergan-Skandal hatten die Pharmafirma Grünenthal und der Opferanwalt Karl-Hermann Schulte-Hillen einstweilige Verfügungen erwirkt. Die Produktionsfirma und der WDR haben im April in zweiter Instanz zwar einen Teilerfolg erzielt, die endgültige Entscheidung steht aber noch aus.

Media-Markt, DaimlerChrysler und Grünenthal haben sich in ihren Abmahnungen und Klagen unter anderem auf die Verletzung ihres Unternehmenspersönlichkeitsrechts berufen. »Das wird immer gerne zusätzlich angeführt«, sagt der Medienanwalt Stefan Rippert von der Kanzlei Reed Smith. »Man hat immer noch was in der Hinterhand, wenn andere Anspruchsgrundlagen nicht greifen.« Das Markengesetz komme nur zum Tragen, wenn eine fremde Marke unberechtigterweise im geschäftlichen Verkehr genutzt werde, das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb nur dann, wenn der Gegner tatsächlich ein Konkurrent des eigenen Unternehmens ist.

Unternehmen wollen Teil der Community sein

Bei Bloggern trifft beides selten zu. Der Münchner Anwalt Arne Trautmann ist selbst Blogger (law-blog.de). Seiner Erfahrung nach sehen die Unternehmen ihr Persönlichkeitsrecht in den vergangenen Jahren immer häufiger verletzt: »Unter Juristen ist das fast schon ein Modethema geworden.« Die Unternehmen wollten nicht mehr nur als reine Wirtschaftsakteure wahrgenommen werden, sondern als »Teil der Community«. Deshalb seien sie sehr darauf bedacht, ihr Bild in der Öffentlichkeit zu schützen und zu kontrollieren.

Das Persönlichkeitsrecht für juristische Personen wie Unternehmen, Verbände und Gemeinden wird aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht abgeleitet, das jeder Mensch genießt. Dieses wiederum steht explizit in keinem Gesetz, sondern ergibt sich aus den ersten beiden Artikeln des Grundgesetzes, also aus der Unantastbarkeit der Menschenwürde und der freien Entfaltung der Persönlichkeit. Zivilrechtlich findet es zum Beispiel Anwendung im Recht am eigenen Bild, strafrechtlich im Schutz gegen Beleidigungen und Verleumdungen.