Zeitungsbericht »Kritik an Daimler-Aufsichtsratschef Kopper«
in Stuttgarter Zeitung vom 06.04.2006



Kritik an Daimler-Aufsichtsratschef Kopper

Kritische Aktionäre wollen Einzelabstimmung über Entlastung bei der Hauptversammlung

STUTTGART. Die Gruppe der Kritischen Aktionäre von DaimlerChrysler will wie in den Vorjahren Vorstand und Aufsichtsrat bei der Hauptversammlung nicht entlasten. Für Aufsichtsratschef Hilmar Kopper wollen sie eine Einzelabstimmung durchsetzen.

Von Michael Heller

Die Vereinigung fordert Aufsichtsratschef Hilmar Kopper auf, sofort zurücktreten. Ihm werfen die Kritischen Aktionäre unter anderem die zu späte Information über den geplanten Rücktritt des früheren Konzernchefs Jürgen Schrempp im vergangenen Jahr vor. Jürgen Grässlin von den Kritischen Aktionären behauptet, schon zwölf Tage vor der Bekanntgabe am 28. Juli 2005 von Schrempps Plänen gewusst zu haben. Rechtsanwalt Holger Rothbauer, Sprecher der Kritischen Aktionäre: »Kopper sollte es möglichst rasch Schrempp und Breuer gleichtun.« Rolf Breuer, Aufsichtsratsvorsitzender der Deutschen Bank, hatte am vergangenen Sonntag überraschend angekündigt, dass er Anfang Mai zurücktreten werde. Begründung: er wolle das Kreditinstitut von weiteren Diskussionen um seine Person entlasten.

Daneben werfen die Daimler-Kritiker dem Aufsichtsratsvorsitzenden vor, zusammen mit Schrempp für Qualitätsminderung und Arbeitsplatzvernichtung bei Mercedes, für die Verschwendung von Milliarden bei Mitsubishi und für die Beteiligung an ethisch verwerflichen Rüstungsprojekten via EADS verantwortlich zu sein. Die Kritischen Aktionäre verfügen selbst nur über wenige Aktien, treten jedoch regelmäßig bei Hauptversammlungen auf und stellen Gegenanträge - die stets abgelehnt werden. Auch bei der Hauptversammlung am 12. April in Berlin haben sie neun der insgesamt 15 Gegenanträge gestellt. Unter anderem fordern sie die Nichtentlastung von Vorstand und Aufsichtsrat.

Rothbauer hofft, dass es gelingt, eine Einzelabstimmung über die Entlastung von Kopper durchzusetzen. Hierzu benötigt er nach eigenen Angaben 384.000 Stimmen. In Anlehnung an die Nichtentlastung des damaligen Aufsichtsratsmitglieds und IG-Metall-Chefs Franz Steinkühler vor vielen Jahren - er hatte Insiderinformationen zum eigenen Vorteil ausgenutzt - spricht der Rechtsanwalt von »Steinkühler II«. Rothbauer setzt darauf, dass der Aktionär Richard Mayer, der mit mehr als 500 000 Euro an DaimlerChrysler beteiligt ist, das Vorhaben unterstützt.

Mayer hat durchgesetzt, dass auf der Hauptversammlung über seine Anträge abgestimmt werden muss, Sonderprüfer für die Untersuchung der Engagements Smart und Maybach zu bestellen. Selbst wenn es zu einer Einzelabstimmung kommen sollte, ist es sehr unwahrscheinlich, dass Kopper die Entlastung verweigert wird. Bei der Hauptversammlung soll Manfred Bischoff, der frühere Chef der Luft- und Raumfahrttochter DaimlerChrysler Aerospace (Dasa), in den Aufsichtsrat gewählt werden. Es ist geplant, dass er 2007 den Vorsitz von Kopper übernimmt. Diese Wahl missfällt den Kritischen Aktionären, die Bischoff als Duzkumpel von Exchef Jürgen Schrempp bezeichnen.

Daimler-Betriebsrat Tom Adler, dessen linke Liste Alternative/Klartext bei den Betriebsratswahlen im Werk Untertürkheim zehn Mandate gewonnen hat, kritisiert die einseitige Ausrichtung von Schrempp-Nachfolger Dieter Zetsche an den Interessen des Kapitalmarkts. Adler befürchtet, dass der bereits bekannt gegebene Abbau von 8500 Stellen bei Mercedes und von 6000 Arbeitsplätzen in der Zentrale noch nicht das Ende der Fahnenstange ist. Danach könnten zusätzlich zur Streichung von 1200 Stellen im Werk Untertürkheim weitere 1400 Arbeitsplätze entfallen. Ihn alarmiert, dass sich die Geschäftsleitung mehrfach geweigert habe, zu den Abbauplänen Stellung zu nehmen. Offiziell hieß es gestern bei DaimlerChrysler, es gebe keine Pläne für einen weiteren Abbau.

Adler hält die gegenwärtige Strategie für falsch: »Es ist doch eine nicht von der Hand zu weisende Tatsache, dass Qualität nicht herbeigespart werden kann.« Die Sparprogramme gingen vor allem zu Lasten der Belegschaft. Was Adler nicht verstehen kann: »Es werden Mittel in astronomischer Höhe für die Vernichtung von Arbeitsplätzen ausgegeben - in der Summe vier Milliarden Euro.«