Internetmeldung »Meinungsfreiheit.
Daimler-Kritiker darf Daimler kritisieren«
in Financial Times Deutschland.de vom 22.09.2009



Meinungsfreiheit

Daimler-Kritiker darf Daimler kritisieren

Lange hatte er gekämpft, nun hat er Recht bekommen. Jürgen Grässlin kritisierte den plötzlichen Abgang des früheren Daimler-Chefs Schrempp – und sah als Grund dafür, dass »die Geschäfte nicht immer [Aussage für mich – trotz des BGH-Urteils – erst dann wiederholbar, wenn auch die Hamburger Justiz ihre Urteile aufgehoben hat!] waren. Der Bundesgerichtshof hat keine Einwände.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Meinungsfreiheit kritischer Aktionäre gestärkt. Nach einem Urteil vom Dienstag durfte Daimler-Aktionär Jürgen Grässlin in einem Interview Zweifel äußern, dass der vorzeitige Rücktritt des früheren Vorstandschefs Jürgen Schrempp freiwillig gewesen sei. Auch seine Aussage, unter der Ägide Schrempps seien »die Geschäfte nicht immer [Aussage für mich – trotz des BGH-Urteils – erst dann wiederholbar, wenn auch die Hamburger Justiz ihre Urteile aufgehoben hat!] gewesen, war vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt. Grässlin zeigte sich nach dem Urteil erleichtert: »Heute hat die Meinungsfreiheit einen Sieg errungen.«

Damit scheiterten Daimler und Schrempp mit ihrer Unterlassungsklage in letzter Instanz. Vor dem Oberlandesgericht Hamburg hatten sie den Prozess noch gewonnen. Das Gericht urteilte damals, der Aktionär habe in seinem Interview sowohl die Persönlichkeitsrechte Schrempps als auch die Unternehmensrechte des Konzerns verletzt. Der BGH beanstandete dies jetzt als rechtsfehlerhaft.

Sowohl die Zweifel am freiwilligen Rücktritt Schrempps als auch die Kritik an dessen Geschäftstätigkeit seien Meinungsäußerungen gewesen, keine Tatsachenbehauptungen, urteilte der BGH. Es handele sich auch nicht um Schmähkritik. Zudem sei der Rücktritt Schrempps von erheblichem öffentlichem Interesse gewesen. Würde man solche Äußerungen am Tag des Ereignisses unterbinden, wäre eine öffentliche Diskussion aktueller Ereignisse in einer Weise erschwert, die mit dem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung unvereinbar wäre, erklärte der BGH. Schrempp hatte im Juli 2005 überraschend sein vorzeitiges Ausscheiden aus dem Konzern zum Jahresende bekanntgegeben.

»Daimler bedauert das Urteil des BGH, nachdem zwei Urteile in den Vorinstanzen unsere Rechtsauffassung bestätigt hatten. Wir werden nun die Urteilsbegründung genau prüfen«, sagte ein Sprecher des Autobauers.

p>Grässlin war als Mitgründer und Sprecher des Vereins Kritische AktionärInnen DaimlerChrysler bekanntgeworden, der sich vor allem gegen das Engagement des Konzerns in der Rüstungsindustrie wendet. Er hat mehrere Bücher über Daimler verfasst und ist in zahlreiche Prozesse mit dem Konzern verwickelt. Mit dem Urteil sei auch eine große finanzieller Last von ihm genommen, sagte er. Da der Daimler-Konzern den Prozess verlor, muss dieser nun die Kosten tragen.